THW stellt Behelfsbrücke planmäßig fertig
Am Sonntag wurde das Herzstück der Kurpark-Umfahrung »eingerollt«
Alles lief nach Plan beim Einrollen der zweiten Behelfsbrücke am Sonntagvormittag. Die Lager waren richtig vorbereitet, die Rollen rollten und auch die Montage im Vorfeld hatte gut geklappt.
Eins, zwo. Eins, zwo. Eins, zwo. Immer und immer wieder wird das Kommando zum Nachlassen der Halteseile gegeben. Die Herausforderung ist es nicht nur die 80 Tonnen schwere Brückenkonstruktion Zentimeter für Zentimeter auf Rollen über den Bach zu ziehen. Es muss auch verhindert werden, dass die Brücke unkontrolliert ins Rollen kommt. Dafür sind an mehreren Punkten dicke Gegenzugseile gespannt, die von Hand Stück für Stück nachgelassen werden. Das Ziehen übernimmt hingegen ein Einsatzfahrzeug mit ordentlich PS unter der Haube. Mit Augenmaß wird überwacht und tatsächlich einmal gestoppt. Die Seile ziehen nicht exakt gleichmäßig. Das muss erst korrigiert werden, bevor es weitergehen kann. Dann endlich kippen die Rolllager. Die Brücke ist am anderen Ufer angekommen. Entspannt sind alle THW-Helfer jedoch erst, als der Brückenbereich, der mit Fahrbahnplatten versehen ist, ebenfalls die vorgesehenen Brückenlager erreicht.
Bereits zuvorhatten die Hilfskräfte einige Podeste unter der Brücke vorbereitet, auf denen später Schwerlastheber positioniert werden. Die Hydraulikstempel drücken bis zu 50 Tonnen nach oben. Mit ihnen wird die Brücke nochmals leicht angehoben, damit die Rolllager entfernt werden können.
ind die Rolllager entfernt, sitzt die Brücke wie berechnet felsenfest auf ihren eigens gegossenen Betonpfeilern.
Vorschubschnabel
In Größe und Länge sei eine Brücke wie diese erstmals seit dem Elbhochwasser 2002 wieder verbaut worden, hatte Bürgermeister Günter Pfundstein vom Regionalstellenleiter des THWs erfahren. Patrick Winterhalter, Brückenbauleiter des Ortsverbands Müllheim, weiß zu ergänzen, dass sogar Brückenteile, die bei ebendiesem Hochwasser eingesetzt worden waren, jetzt in Zell verbaut sind. Eine Brücke in Vorschubmontage zu errichten sei eine hervorragende Übung, ergänzte der THWler. »Sie werden nicht so häufig gebaut, weil es zeitintensiv ist.«
Vorschubmontage – das bedeutet im Vergleich zur Behelfsbrücke an der Wallfahrtskirche jede Menge Mehraufwand. Genauer gesagt: Etwa eineinhalb Tage länger dauert es, eine Brücke wie die für die Kurparkumfahrung per Vorschubmontage zu errichten als im Einhubverfahren.
21 Meter »Vorbauschnabel« müssen in Unterharmers-bach zunächst zusammengeschraubt und dann wieder demontiert werden, wenn die eigentliche Brücke in Endlage sitzt. Das ist beim Brückeneinhub per Lastenkran nicht notwendig. Der Vorbauschnabel hat mehrere Funktionen. Er bildet eine Art Gegengewicht und Ausgleichsmodul, damit das Einrollen auf die Kipprolllager auf dem gegenüberliegenden Ufer reibungslos funktioniert. Außerdem gibt es Momente beim Brückenbau, in denen am hinteren Ende ohne den Vorbauschnabel wesentlich mehr Gewicht liegen würde als an der Spitze – was gar nicht gut für die Statik wäre.
Zeit bis zum Herbst
Etliche der Helferinnen und Helfer aus den weiter entfernten Ortsverbänden hatten ihr Nachtlager über die beiden Wochenenden in den Räumlichkeiten des THW Ortsverbands in Biberach aufgeschlagen. Sie fühlten sich vom Ortsverband und den Baustellen-Anliegern, allen voran der Bäckerei Ochsenmühle, bestens versorgt und waren froh über die Wetterabkühlung. Die Schufterei am heißen Wochenende zuvor, als begonnen wurde viele Tonnen Stahl mit tausenden Schrauben zu einer Brücke zusammenzufügen, war eine wirklich schweißtreibende Angelegenheit.
Jetzt, da die Brücke richtig sitzt, ist das Regierungspräsidium wieder am Zug. Es gilt die Zufahrten zu erstellen. Das ist für den Herbst geplant. Wenn im November dann die Rössle-Brücke abgebrochen wird, wird die Kurpark-Umfahrung aktiviert, die dank des ehrenamtlichen Einsatzes der Hilfskräfte vom THW die Überquerung des Harmersbachs möglich macht.
Info
Rund 80.000 Mitglieder hat das THW insgesamt bundesweit, davon sind 15.000 Jugendliche. Die Fachgruppe Brückenbau ist darauf spezialisiert, kurzfristig Brücken aus vorgefertigten Teilen bis zu einer Länge von bis zu 50 Metern zu errichten. Da ist eine Menge Know-how gefragt. Bei den Müllheimer Brückenbauern engagieren sich unter anderem zwei Bauingenieure, ein Architekt und drei Maschinenbauer ehrenamtlich.
Autor: Susanne Vollrath, Schwarzwälder Post